Unter dem Titel „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft“ diskutierten auf Einladung der Landesvertretung Baden-Württemberg fünf politische Schwergewichte diese Herausforderung, die im Juli beginnt und im Dezember des Jahres endet. Moderatorin Anne Gellinek (ZDF) begrüßte in der Landesvertretung neben Botschafter Clauß noch den stellvertretenden EVP-Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament, Siegfried Muresan und den Vorsitzenden der Europa-Union Brüssel, Prof. Dr. Frank Hoffmeister. Stuttgarts Europaminister Guido Wolf wurde aus der Landeshauptstadt zugeschaltet, die europapolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, aus Berlin.
Und darum ging es: Folgen der Coronakrise, Wiederaufbaufonds und EU-Haushalt, Brexit, Rechtsstaatlichkeit, aber auch Zukunftskonferenz, Green Deal, Migration, Digitalisierung, und EU-Eigenmittel. Die Diskussion war vor allem interessant, faktenorientiert, aber auch (so wie es das Thema verlangt) in die Zukunft gewandt. Eine Frage konnte noch keiner der Diskutanten beantworten: Wieviel Geld nimmt die EU am Ende in die Hand, um die großen und kleineren Herausforderungen zu bewältigen. Was kommt als Zuschuss, was bleibt Kredit? Da braucht es Einstimmigkeit unter den 27 EU-Partnern.
Aber keiner der Akteure scheute ein klares Wort. EUD-Repräsentant Frank Hoffmeister kommentierte kernig die stockenden Brexit-Verhandlungen: „Boris Johnson muss jetzt das ausbaden, was er seiner Bevölkerung versprochen hat.“ Ansonsten setzt Hoffmeister große Hoffnungen auf die Zukunftskonferenz: „Wir müssen die Effizienz der gesamten EU auf den Prüfstand stellen. Der jetzige Moment ist der richtige, um das Instrumentarium zu erweitern. Wir sollten die EU mit neuen Eigenmitteln ausstatten wie zum Beispiel der Digitalsteuer, um handlungsfähig und solidarisch zu bleiben.“ Franziska Brantner, früher selbst einmal im Europäischen Parlament, mahnte die Investitionen in große Projekte an: „Jetzt ist die Zeit für transeuropäische Projekte. 5G, Schienennetzausbau, Wasserstoff. Darum geht es.“ Der rumänische EVP-Abgeordnete Siegfried Muresan freut sich auf das „multiple Krisenmanagement“ der Deutschen und erinnert an gerechte Milliardenverteilung bei Landwirtschaft und Kohäsion. Die Mitsprache des EU-Parlaments bei Rückzahlungsfragen des Wiederaufbaufonds mahnte Muresan ebenfalls an. Einig waren sich die Diskutanten, dass die EU-Ausgaben strengeren Auflagen als bisher unterliegen sollen. Von Hoffmeister auf Defizite bei der Mittelvergabe an regierungsnahe Firmen angesprochen, versicherte Botschafter Clauß, dass es ein wichtiges Berliner Ziel sei, die Einhaltung der Rechtstaatlichkeit als Vergabekriterium im Mehrjährigen Finanzrahmen zu verankern.
Baden-Württembergs Minister Wolf gab eine konkrete Prognose ab: „Die deutsche Ratspräsidentschaft ist eine große Chance. Am Ende der Verhandlungen wird aber auch ein höherer deutscher Haushaltsbeitrag stehen.“ Botschafter Clauß kündigte für September auch wieder physische Treffen im Ratsgebäude an, die er auch als notwendig erachtet, um die großen Brocken aus dem Weg zu räumen. Zum entschlossenen Handeln rief Bodo Lehmann, Leiter der Landesvertretung, in seinem Schlußwort auf.
Autor: Ottmar Berbalk